Eine geknickte Blume


Gedanken zum Inhalt des Buches schrieben:

D.Kohler/Urbansky und Christina Stickert
"Mit der Romanfigur "Heide" entwickelt Rotraud Wolf in "Eine geknickte Blume" eine spannende Lebensgeschichte.
Über die Bekanntschaft, Freundschaft und schließlich Liebe zu einem Mann aus dem Orient, denkt die Erzählerin immer wieder der eigenen Person nach, ihrer Kindheit nach dem schrecklichen Weltkrieg.
Als 5. Kind in einer Arbeiterfamilie wächst sie in Thyringen auf, und erfährt auch, was es heißt, trotz der harten Arbeit der Eltern, arm zu sein. Heide spricht über ihren Vater: "Er hatte so viel Temperament in sich, konnte musizieren, singen, schauspielern und Gedichte vortragen.
Nichts von dem, was er hätte in seinem Leben wachsen lassen können, war ihm vergönnt." Er arbeitete in einer Gießerei.
Dieses Einfühlungsvermögen, diese Beobachtungsgabe, und viel Lebensfreude führt Heide in späteren Jahren auch zu großen Ängsten.
Von der Zeit in der DDR, in der BRD, und später der Wiedervereinigung gewinnt Heide auch eine politische und kulturelle Weitsicht. Der Leser wird immer mitgenommen.
Liebe bekommen und lieben können, lieben dürfen, zu wenig Liebe, zu viel Liebe - und wie umgehen, mit der Liebe? Das zentrale Thema bleibt das, was jedes Lebewesen auf der Erde braucht: Liebe."
Von Doris Kohler-Urbanski.
"Hier ist das Wunder, das allen immer widerfährt, die wirklich lieben; je mehr sie geben, desto mehr besitzen sie von der kostbaren erhaltenden Liebe, die Blumen und Kindern ihre Stärke verleiht und die allen Menschen helfen könnte, wenn sie sie ohne Zweifel hinnähmen."
(Rainer Maria Rilke)


So versucht Heide unerschöpflich Liebe auszuströmen, um diese auch wieder zu empfangen. Dabei gelingt es ihr nie wirklich, diese Liebe in sich und zu sich selbst zu finden.

Heide wird in die Nachkriegszeit geboren, die Zeit der Lebensmittelmarken, gelebte Bescheidenheit. Sie ist das jüngste von 5 Kindern. Der Vater arbeitet hart in einer Gießerei für wenig Lohn. Die Sorgen lassen ihn nach außen hart erscheinen. Er kann Nähe nicht zulassen. Die Mutter ist bemüht, aus dem Wenigen ein wohliges Heim zu machen.
"Hauptsache, ich hab dich lieb!" - dieser Satz begleitet das damals kleine Mädchen, er will trösten, will entschuldigen, will ablenken.
Heides Kindheitserinnerungen schweben zwischen wunderbar sinnlichen Eindrücken, wie dem morgendlichen Kämmen ihrer Haare durch die Mutter und dem Geruch des gebohnerten Holzfußbodens nach Sonnabend aber auch den Streitereien der von Existenzängsten geplagten Eltern. Manchmal fühlt sie sich selbst schuldig an der Situation. Wo Familie alles ist, was man hat, liegen Liebe und Ungerechtigkeit nah beieinander.

In Kindergarten und Schule wird Heide oft belächelt. Sie besitzt fast ausschließlich abgetragene Kleidung. Sie verliert ihre Unbeschwertheit, um den kindlichen Humor der Mitschüler zu teilen. Sie zieht sich zurück, wird isoliert, isoliert sich selbst, flüchtet in die eigene Gedankenwelt.

Ihre Geschwister verlassen nach und nach das Elternhaus. So manifestiert sich Heides Rolle als Nesthäkchen.
Wenn Kinder heranwachsen, beginnen sie den Wert der Liebe ihrer Mutter zu schätzen und die große Kraft dieser Bindung. Keine andere Beziehung, die wir eingehen, kann jemals so eng und intensiv sein.

Heide wird erwachsen, durch die familiären finanziellen Sorgen sogar schneller als andere Mädchen, und bleibt doch immer für alle die Kleine.
Die Liebe zur Mutter bleibt und wächst über Verantwortungsbewusstsein zu aufopferungsvoller Hingabe und Selbstaufgabe.
Die Pflege ihrer Mutter, die ein hohes Alter erreichte, bis zu deren Tod, gab Heide einen gewissen Halt. Sie wurde gebraucht, gab Liebe, umsorgte selbst, spürte die eigene Sehnsucht nach Geborgenheit und stürzte sich sofort wieder ins Umsorgen.

Auch für ihre Kinder stellt sie alles hinten an, doch ist schon da blockiert. Sie kümmert sich um jeden, nur nicht um sich selbst.

Heide vernachlässigt eigene Wünsche und Bedürfnisse, erfährt ihre Grenzen, doch hört nicht auf ihre körperlichen Warnsignale. Körper und Seele kommen aus dem Gleichgewicht. Sie leidet unter seelischer und körperlicher Erschöpfung, Depressionen und Angstzuständen.

Während einer Kur lernt sie Hassan kennen. Wieder liebt sie. Er ist gebunden, geschäftlich wie privat. Beide halten irgendwie aneinander fest, wohnen an Wochenenden in Pensionen, später auch in ihren 4 Wänden, genießen die wenige Zeit miteinander. Heide wartet ungeduldig auf jeden seiner Anrufe und wünscht ihn sich im Leben an ihre Seite, steht ohnmächtig und hilflos vor der verfahrenen Situation. Wieder kostet es Heide Kraft, die sie eigentlich nicht hat.

Erst nach dem Tod ihrer Mutter beginnt sie wirklich aktiv, für sich selbst da zu sein und den bisweilen schmerzhaften Weg der Selbsterkenntnis zu gehen.
"Ich will spüren, dass ich lebe." Rotraud Wolf

Von Christina Stickert